Tag der Arbeit – Der Mai steht im Zeichen des sozialen Europas

In wenigen Wochen werden wir ein neues europäisches Parlament wählen. Nicht wenige befürchten, dass das Parlament sein Gesicht verändern wird. Wir müssen für ein gerechtes und soziales Europa eintreten, in dem die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geachtet und gestärkt werden. Wir müssen ein Signal setzen gegen Populismus, Nationalismus und Egoismus.

 

Schon die Verträge von Rom haben 1957 grundlegende Prinzipien wie gleiches Entgelt für Frauen und Männer oder das Recht der Arbeitnehmerschaft auf Freizügigkeit innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft enthalten. Heute profitieren wir Niedersachsen ganz besonders vom zollfreien Handel und den offenen Grenzen zu unseren Nachbarn. Wir leben in einem Automobilland – und Autos, Autokomponenten und Maschinen sichern bei uns Tausende Arbeitsplätze.

 

Und nur durch gemeinsame Regeln verhindern wir, dass Billiganbieter, die Niedriglöhne zahlen und Arbeitsschutzgesetze missachten, die Märkte überschwemmen und damit die Existenz niedersächsischer Betriebe gefährden.  Die Gründerinnen und Gründer der EU wussten damals aber auch, und das scheint heute so mancher vergessen zu haben: Stabilen wirtschaftlichen Erfolg kann es nur geben, wenn es auch sozial gerecht zugeht. Konsequent umgesetzt hat Europa diesen Gedanken noch nicht.

 

Darum wollen wir jetzt den nächsten Schritt gehen – und ein sozial gerechtes Europa entwickeln. Damit alle Menschen spüren, dass Europa für sie da ist. Und eben nicht nur, wenn es um Bankenrettung geht, um Großfusionen und Wettbewerbsrecht. Damit die Menschen erleben, dass Europa ihr ganz persönliches Leben im Alltag besser macht. Damit sie spüren, dass Europa ihnen unter Umständen auch ganz unmittelbar hilft.

 

Es muss Schluss sein mit dem Lohndumping! Auch der Schlachter aus Rumänien und die Pflegerin aus Polen müssen von ihrer Arbeit leben können. Der Gebäudereiniger in Dortmund ebenso wie die Kassiererin in Neapel. Wer Vollzeit in Europa arbeitet, darf mit seinem Lohn nicht unter die Armutsschwelle in seinem Land rutschen! In Deutschland liegt die Schwelle dafür bei rund 12 Euro. Für die Menschen in Deutschland und vielen anderen Ländern brauchen wir darum einen Rahmen für armutsfeste Mindestlöhne. Den europäischen Mindestlohn! Mittel- bis langfristig müssen wir es auch schaffen, dass die Arbeitslosen-, die Renten- und die Krankenversicherungssysteme in Europa den Menschen eine vergleichbare Sicherheit, einen vergleichbaren Schutz bieten.

 

Was gehört noch zu einem sozialen Europa? Natürlich geht es uns auch um gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort! Mit der sogenannten Entsenderichtlinie machen wir einen großen Schritt. Das gilt aber insbesondere auch für die Bezahlung von Frauen und Männern. Hier haben wir insbesondere in Deutschland noch eine Menge Hausaufgaben zu machen. Und: In allen Betrieben ab einer gewissen Größe brauchen wir Arbeitnehmervertretungen – mehr Mitbestimmung.

 

Zu unserem Europa passt auch keine Kinderarmut. Die wollen wir für immer beenden – mit einer europäischen „Kindergarantie“. Bildung, eine gute Gesundheitsversorgung und gesundes Essen. Das muss selbstverständlich sein für jedes Kind in Europa. Soziale Sicherheit kann auch mittelfristig kein Privileg der reichen Länder sein. So wollen wir ein Europa schaffen, das der nächsten Generation die besten Chancen mit auf den Weg gibt. Ein Europa, das Jugendarbeitslosigkeit bekämpft – und nicht einfach hinnimmt. Unser Ziel ist, dass jeder arbeitslose Jugendliche innerhalb von vier Monaten ein gutes Angebot für einen Job, eine Ausbildung oder ein Praktikum erhält. Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass Europa für die Jugend mehr Geld in die Hand nimmt. Für neue Chancen, gegen Jugendarbeitslosigkeit, für die Zukunft Europas.

 

Und am besten machen die jungen Menschen einen Teil ihrer Ausbildung in einem anderen europäischen Land. Nicht nur die Akademikerinnen und  Akademiker mit ihrem Auslandsstudium. Sondern auch die Auszubildenden und die Schülerinnen und Schüler. Jede und jeder, die es wollen, sollen diese Möglichkeit bekommen. Es geht um ein Europa, das zusammenhält. Weil davon am Ende alle profitieren.

 

Das soziale Europa hat viel mit Steuergerechtigkeit zu tun. Denn wer bei uns viel Geld verdient, soll auch einen angemessenen Beitrag leisten. Damit wir weiter in die Zukunft investieren können – und in soziale Gerechtigkeit. In Europa sollen Talente und Ideen den Wettbewerb entscheiden, nicht Lohndumping und Steuerrabatte.  Wenn Europa geschlossen auftritt, können wir verhindern, dass Großkonzerne ihr Kapital dorthin verschieben, wo sie am wenigsten Steuern zahlen.

 

Bisher hatten diese Konzerne starke Fürsprecher, nicht zuletzt unter den Konservativen. Bei denen stehen die selbsternannten „Steueroptimierer“ und Wirtschaftsprüfer, die Milliarden-Gewinne von Großunternehmen hin- und herschieben, höher im Kurs als die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir haben einen anderen Fokus. Wir wollen einheitliche Mindeststeuersätze einführen. Damit sich diese Konzerne nicht mehr um ihren Beitrag drücken können. Es muss für Unternehmen klar sein, dass und wie viel Steuern sie in Europa mindestens zahlen müssen.

 

Bisher haben es die unterschiedlichen Steuerregeln in Europa den Konzernen leicht gemacht, ihre Gewinne künstlich runterzurechnen. Immer zu Lasten der Allgemeinheit. Zu Lasten der ganz normalen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die nichts runterrechnen können. Mit der Einführung einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer wollen wir erreichen, dass große Konzerne ihren Gewinn tatsächlich versteuern.

 

Und wir haben ja Erfolge: Erst kürzlich ist Google wegen seiner marktbeherrschenden Stellung von der Kommission zu einer weiteren Strafzahlung von 1,5 Milliarden Euro verurteilt worden. Das schaffen wir nur, weil wir uns einig sind in Europa. Olaf Scholz und sein französischer Kollege Bruno Le Maire haben jetzt zusammen mit acht anderen Ländern die Einführung der Finanztransaktionssteuer beschlossen. Sein CDU-Vorgänger hat immer nur davon geredet. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten machen es jetzt.

 

Die SPD  will ein Europa der Menschen. Mit guten Arbeitsbedingungen und sozialer Sicherheit. Wir wollen in gute Ideen investieren, die Lust machen auf morgen. Mit der Jugend Europas das Neue denken. Progressiv und mutig. Dafür brauchen wir den Wechsel! Denn 15 Jahre konservative Führung an der Spitze in Europa sind gescheitert. In dieser Zeit sind die Rechtspopulisten immer stärker geworden. Oft waren die Konservativen zu schwach, sich klar gegen die Spalter und Hetzer abzugrenzen. Wohin das führt, zeigt eindrucksvoll der Brexit: Britische Populisten haben jahrelang Stimmung gemacht und die Konservativen haben sie nicht gestoppt. Im Gegenteil: Nach und nach haben die Tories selbst das Geschäft der Populisten übernommen. Jetzt stehen wir alle vor einem Scherbenhaufen. Eine Politik der Abgrenzung, die im Chaos endet.

 

Bei der Europawahl besteht die Gefahr, dass die europafeindlichen, die nationalistischen Kräfte, die größte Fraktion im Europäischen Parlament bilden. Wenn sie es schaffen, gemeinsam eine Fraktion zu bilden. Um den Einfluss der Rechten in Brüssel einzudämmen, müssen wir vor allem junge Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen: Bei der letzten Europawahl im Jahr 2014 haben nicht mal die Hälfte der Wahlberechtigten aus Niedersachsen ihr Kreuz gemacht. Bei den jungen Menschen lag die Wahlbeteiligung sogar nur bei etwa 25%. Das ist zu wenig, wenn bei der kommenden Wahl diejenigen in der Mehrheit bleiben sollen, die ein vereintes und demokratisches Europa befürworten!

 

Ausgleich, Solidarität, der Sozialstaat und der Grundgedanke, alle mitzunehmen, haben die westlichen Gesellschaften stark gemacht und auch Wohlstand ermöglicht. Wer Europäische Flugzeugträger bauen will statt das soziale Europa zu stärken, der scheint das vergessen zu haben. Und das unterscheidet uns von den Konservativen. Darum brauchen wir den Wechsel! Darum stehen wir für Zusammenhalt statt Gegeneinander. Wir wollen Europa zusammenführen statt spalten. Solidarität heißt, sich aufeinander verlassen zu können.

 

Wir wollen gemeinsam durch Einigkeit stärker statt international bedeutungslos zu werden. Aus einer solchen eigenen Stärke heraus können wir die großen Aufgaben gemeinsam anpacken: Kampf gegen den Klimawandel, gerechte Steuern für internationale Großkonzerne, starke Impulse für Frieden und Verständigung, die Weltmarktführung in Zukunftstechnologien. Und: Das soziale Europa, das den Menschen Sicherheit gibt.