Die Arbeit im Wahlkreis hat sich mit der Corona-Krise verändert. Neben den sonst regelmäßig üblichen Gesprächen mit Organisationen oder Gruppen, Vereinen und Institutionen richten sich derzeit viele Bürger*innen mit konkreten Fragen zu ihren persönlichen Lebenslagen in der Corona-Krise an mich und mein Bürger*innen-Büro.
Ich selbst habe auch das Gespräch mit Menschen gesucht, die mit Corona beruflich in besondere Lagen geraten sind . Selbstverständlich unter Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln. Mit Kita-Leiterinnen, dem ärztlichen Leiter und der Pflegedienstleiterin im Clementinenhaus in der List, mit einer Pflegerin des Transkulturellen Pflegedienst, einer Supermarktkassiererin und mit Antje Dietrich, Schulleiterin der Grundschule Alemannstraße.
Die 50jährige leitet eine Grundschule in Vahrenwald mit 250 Schülerinnen und Schülern aus insgesamt 30 Nationen. Schon unter Normalbedingungen eine große Herausforderung und ein täglicher Kampf mit vielen Widrigkeiten. Die Krise setzt hier wie anderswo aber nochmal ganz besondere Bedingungen. Mit dem Begriff der Systemrelevanz der Aufgaben an der Schule kann auch Antje Dietrich deswegen nicht viel abgewinnen.
Kurz vor den Osterferien sei es damit losgegangen und seitdem sei jeder Tag so etwas wie eine Wundertüte für ihr Aufgabengebiet. Es sei wahnsinnig viel zu organisieren, sie müsse sich immer wieder bemühen die Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und auf dem Stand der Dinge zu halten. Sie habe seit der Corona Krise wieder eine 60 bis 70-Stunden Woche, am Wochenende abschalten falle schwer. Und die Schulleitung müsse eben alles organisieren und eigentlich noch 12 Stunden die Woche unterrichten. Die seien sich in der Stadt weitgehend einig darin, das dies unter den gegebenen Bedingungen nicht funktioniere. Etwa dann, wenn Dienstbesprechungen eigentlich digital stattfinden sollen, aber die zur Verfügung gestellte Technik nicht funktioniere.
Das meiste, was für den Schulbetrieb derzeit nötig sei – Masken, Desinfektionsmittel, Abstandsklebeband, Spuckschutz – habe sie gemeinsam mit ihrer Sekretärin im Baumarkt beschafft. Glücklicherweise rechtzeitig. Denn als die benötigten Dinge abgefragt worden seien, sei das Ergebnis eine E-Mail gewesen, das man die meisten Dinge nicht so rasch beschaffen könne. Dietrich fühlt sich an dieser Stelle unzureichend unterstützt. Ohnehin sei die Kommunikation in diesen Fragen zu kompliziert, es gebe zu viele Ansprechpartner, zu viele Aufgaben bleiben bei den Schulleitern hängen. So sollen sie etwa Unterrichtsabordnungen von Lehrkräften selbständig untereinander organisieren, wenn eine Schule schlecht versorgt sei. Die schlechte Versorgung bestehe derzeit aber für alle Grundschulen durch Freistellungen von Lehrern, die Risikogruppen angehörten oder Vorerkrankungen aufwiesen, hinzu komme die Halbierung der Lerngruppen. Überall fehlten also Lehrerstunden.
Daneben gebe es ganz praktische Probleme. Sport und Musik seien wichtige Fächer, um die Kinder über Spaß und Beteiligung zu erreichen, könnten derzeit aber nicht unterrichtet werden. Die vierten Klassen bekämen die Frage der Abstandsregeln ganz gut hin, die dritten Klassen hätten bereits ihre Probleme mit der Einhaltung des Abstands. Außerdem müsse die Schule den Toilettenbereich der Hygiene wegen beaufsichtigen. Wer solle das leisten? Die pädagogischen Mitarbeiter? Das sei kein gutes Signal in deren Richtung.
Die Stadt sei eigentlich Dienstleister für die Schulen, manchmal hätte sie aber das Gefühl, mit einem zweiten Dienstherrn neben dem Land zu tun zu haben. Für das kommende Schuljahr müssten eigentlich Verträge für die Verpflegung der Kinder abgeschlossen werden. Der bisherige Dienstleister der Schule an der Alemannstraße – die Hannoverschen Werkstätten – hätten gute Dienste geleistet seien aber gar nicht in die Ausschreibung einbezogen worden. Einen Ganztagsbetrieb kann sich Antje Dietrich unter den herrschenden Gegebenheiten im kommenden Jahr ohnehin noch nicht vorstellen.
Dietrich wünscht sich für Zukunft zudem eine Digitalisierung mit Augenmaß. Es dürfe nicht dazu kommen, dass Kinder, die ohnehin seltener Zugang zu Tablets oder Laptops hätten, hier gegenüber Gymnasien benachteiligt würden. Für eine Brennpunktschule wie ihre sei dies von großer Bedeutung. Und es fehlten nach wie vor Stunden im Betreuungsbereich. Dennoch will sich Antje Dietrich nicht entmutigen lassen. Es ziehen wieder mehr Familien aus dem Mittelstand nach Vahrenwald, die bisher aber die Schule an der Alemannstraße mieden. Das will sie ändern und weiter für die noch fehlenden Sanierungsschritte kämpfen.