Zum 31. Mal begehen wir am 3. Oktober dieses Jahres den Tag der Deutschen Einheit. Für mich ist das immer wieder ein Freudentag. Der Tag, an dem die Bürgerrechts- und Demokratiebewegungen gemeinsam mit den demokratisch gesinnten politischen Kräften Ostdeutschlands den Schlußstrich unter die Herrschaft der SED und ihre piefige, menschen- und freiheitsfeindliche Parteiendiktatur gezogen haben.
„Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ ist vielleicht eine der meistzitierten Losungen, aber Willy Brandt hat Recht behalten. Ost- und Westdeutsche hat es zwar in der öffentlichen Beschreibung während der deutschen Teilung immer gegeben, doch schon damals waren das Menschen, die sich Ländern, Regionen, Kreisen zuhause und ihrer Heimat verbunden fühlen. Es sind neue Nachbarschaften zwischen Ost und West entstanden, gute Nachbarschaften. Ohnehin sind Unterschiede in einem föderalen Bundesstaat nichts Überraschendes, ja nicht einmal innerhalb eines Bundeslandes, wo unterschiedliche Landsmannschaften aus unterschiedlichen Landschaften sich in den Jahren nach 1945 manchmal in völlig neue Verwaltungseinheiten wiederfanden, etwa dem in wenigen Tagen 75 Jahre alt werdende Niedersachsen.
Die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland hat sich seit der Wende vervierfacht, ein bemerkenswerter Wert, wenn man bedenkt, wie wenig von den industriellen Kernen der alten DDR übriggeblieben ist. Vielfach sind die Regionen gezwungenermaßen völlig neue Wege gegangen und sind heute Leuchttürme für ganz Deutschland.
Ich verstehe die Kritik nicht, die Deutsche Einheit sei noch immer nicht in allen Belangen vollzogen. Für mich ist die Deutsche Einheit ein noch immer dynamischer Prozess, der im Übrigen auch Wettbewerbsdynamik erzeugt. Eine Tesla-Auto-Fabrik im brandenburgischen Grünheide fordert nun einmal die Kräfte in Wolfsburg heraus.
Finden wirklich viele Ostdeutsche noch immer, ihre Lebensleistung sei im Westen nicht anerkannt? Sind nicht die Besserwessis und Jammerossis schlimme Vereinfachungen und Medienklischees? Zutreffend ist offensichtlich, dass sich viele Ostdeutsche in der Politik in der Vergangenheit nicht richtig repräsentiert gesehen haben, trotz einer Bundeskanzlerin aus der Uckermark oder einem aus Rostock stammenden Bundespräsidenten.
Das muss uns, im Sinne einer dynamischen Entwicklung der Einheit und damit des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Regionen weiter umtreiben. Ich hoffe, dass die guten Ergebnisse der SPD bei der Bundestagswahl in den ostdeutschen Bundesländern dazu beitragen, das stabile und tragfähige politische Strukturen für gerechte und soziale Politik sorgen, in einem von gegenseitigem Respekt getragenen Miteinander.
Die „Merkel-muss-weg“-Rufer haben zwar ihr Ziel verloren, ihre Unzufriedenheit findet aber noch immer ein Sammelbecken in den Parteien, die außer dieser Sammelbeckenfunktion sonst aber nur mangelnde Gestaltungskraft, Zwist und Dagegen-sein anzubieten haben. Die Zustimmung im Westen zu diesen Truppen schwindet stärker, als im Osten, wo die Extreme zum Teil noch gestärkt erscheinen und die Nähe zu Nazis und militanten Rechten relativ offen zutage treten.
Allein diesen Unterschied möchte ich zwischen Ost und West noch ausmachen. Abfinden werde ich mich damit nicht.